Die Wertstromanalyse (Value Stream Mapping) ist eine bewährte Methode, um den Wertstrom in einem Unternehmen systematisch zu erfassen, Potenziale zu erkennen und Abläufe zu optimieren. Wertströme beinhalten alle Aktivitäten, die zur Herstellung eines Produkts oder zur Erbringung einer Dienstleistung notwendig sind.
In diesem Beitrag fokussiere ich mich auf die Wertstromanalyse bei produzierenden Unternehmen. Generell gibt es zwei Hauptbereiche, die hier analysiert werden – der physische Materialfluss und der dazugehörige Informationsfluss.
Diese bilden das „Betriebssystem des Unternehmens“ und bestimmen mit Ihren Abläufen, wie ein Produkt von der Anfrage bis zum Kunden gelangt.
Versteht man den Material- und Informationsfluss im Detail, lassen sich Verschwendungen (Zeit, Geld, Ressourcen) und Schwachstellen im Unternehmen leichter identifizieren, wie zum Beispiel:
- Kostenabweichungen bei Material oder Energie
- Prozessverzögerungen und Wartezeiten
- Abfall und Ausschuss
- Fehlende Teile
Vorgehen
Das grundsätzliche Vorgehen bei einer Wertstromanalyse gliedert sich in zwei Schritte:
1. IST-Analyse
Dokumentation aller Abläufe und Prozesse: vom ersten Auslöser, wie einer Kundenanfrage, über die Produktion bis hin zur Lieferung und Bezahlung. Dabei werden auch die beteiligten Personen und die eingesetzten Systeme für jeden Prozessschritt erfasst.
Tipp: Um die Komplexität der Abläufe und Prozesse zu reduzieren, empfiehlt es sich, wenn noch nicht vorhanden, übergeordneten Produktfamilien zu bilden.
2. Soll-Prozesse definieren / Optimiertes Wertstromdesign erstellen
Nach der Analyse und Dokumentation geht es darum, die identifizierten Probleme zu lösen und daraus effiziente, schlankere Wertströme zu gestalten. Das Ergebnis wird oft mithilfe von Software digital visualisiert.
Gängige Tools sind bspw. MS Visio, Lucidchart oder Miro.
Bei der Definition der Soll-Prozesse, ist es entscheidend, klare Abgrenzungen und eindeutige Übergabepunkte im neuen Wertstromdesign festzulegen. Durch die Segmentierung der wichtigsten Schritte in der Soll-Prozessgestaltung wird sichergestellt, dass Produktionsabläufe auch bei Abwesenheit von Entscheidungsträgern (etwa durch Krankheit, Urlaub, Fluktuation) nicht ins Stocken geraten.
Herausforderungen und Limitationen
Die Wertstromanalyse stammt ursprünglich aus der Serienproduktion, die durch hohe Stückzahlen, geradlinige und hochautomatisierte Prozesse geprägt ist. In diesem Umfeld ist die Methode am stärksten.
Schauen wir jedoch auf das „Make-to-oder“ Geschäft der Lohn- und Auftragsfertiger mit kleinen Losgrößen und hohen Varianzen stößt die Methode häufig an ihre Grenze. Bei einem Auftrag, der über 10-15 Stränge läuft, kann die Darstellung sehr schnell unübersichtlich werden.
Zudem betrachtet die Wertstromanalyse traditionell die Prozesse rückwärts, vom fertigen Produkt bis zur Anfrage. Ich empfehle jedoch, den Ablauf von vorne nach hinten zu analysieren – von der Anfrage bis zur Auslieferung. Dies ist für Mitarbeiter oft leichter nachvollziehbar und insbesondere für Kleinserien- und Einzelstückfertiger besser geeignet.
Zum letzten Punkt. Die Wertstromanalyse ist typischerweise zeitpunktbezogen. Um näher an der Realität zu sein, ist es jedoch sinnvoll, Tätigkeiten und Daten über einen längeren Zeitraum zu erfassen, z. B. zwei Tage im Monat über einen Zeitraum von sechs Monaten.
Fazit
Die Wertstromanalyse ist eine ausgezeichnete Methode, um ein tieferes Verständnis für Abläufe, Prozesse und Kommunikationswege im Unternehmen zu gewinnen. Auch wenn die Methode bei bestimmten Geschäftsmodellen an Ihre Grenzen stößt, bleibt sie ein wertvolles Werkzeug, um mit Hilfe der Material- und Informationsflüsse die Gesamtzusammenhänge im Unternehmen besser zu verstehen.
Es ist ratsam, zunächst mit einer vereinfachten Analyse zu beginnen und die übergeordneten Prozesse mithilfe symbolischer Darstellungen festzuhalten. Vermeiden Sie es, gleich zu Beginn alle Details wie Taktzeiten, Rüstzeiten oder Lagerbestände zu erfassen, um sich nicht in Kleinigkeiten zu verlieren.
Erstellen Sie eine erste Skizze des wertschöpfenden Prozesses, um mit überschaubarem Aufwand Klarheit darüber zu gewinnen, wie die Abläufe im Unternehmen voneinander abhängig sind. Mit dieser Basis kann nun geschaut werden, welche Schwachstellen mit Hilfe von Digitalisierung beseitigt werden können.
Viel Spaß beim ersten Wertstromanalyse Workshop!