Ist der Einstieg in die Digitalisierung über die klassische Software-Pyramide noch zeitgemäß?

Wie viele wissen, gibt es seit geraumer Zeit immer mehr neue Begriffe rund um die Digitalisierung in Unternehmen. Von IIoT und Industrie 4.0 über Big Data und AI (künstliche Intelligenz) bis hin zu Smart Factory und Manufacturing Operating Systems – die Bandbreite ist enorm.

Traditionell orientierte man sich bei der Digitalisierung oft an der klassischen Softwarepyramide aus der Lehre, um Softwarelösungen in den verschiedenen Unternehmensebenen klar zu trennen.

Mit den heutigen Möglichkeiten und der kontinuierlichen Entwicklung über die letzten 20 Jahre im Bereich Software/Digitalisierung scheinen diese Grenzen nun immer mehr zu verschwimmen. 

ERP, MES, PLM, SCM, CRM, CPQ und weitere Begrifflichkeiten

Als erste Grundlage möchte ich euch einen groben Überblick zu den bisherigen, klassischen Softwarelösungen und ihren Begrifflichkeiten geben.

ERP: Bedeutet Enterprise Resource Planning. Eine ERP-Software wird bereichsübergreifend im Unternehmen eingesetzt. In vielen Fällen ist auch von einer Art „Schaltzentrale“ die Rede. Hier möchte man auf den ersten Blick die Finanzkennzahlen der einzelnen Bereiche und die allgemeine Unternehmensentwicklung sehen. Ein ERP kann um viele weitere Module erweitert werden und weitere Bereiche wie Vertrieb, Service etc. abdecken.

SCM: Bedeutet Supply Chain Management. Hat die Kernfunktion die Logistikkette und den Materialfluss transparent abzubilden. Darunter fallen auch Lagerbestände, Engpässe von Rohmaterial oder Zulieferteile für Baugruppen. Zunehmend entwickeln sich SCM-Lösungen dahin, dass sie ganze Unternehmensprozesse verknüpfen und transparent abbilden.

MES: Bedeutet Manufacturing Execution System. Eine MES-Software wird für die Planung, Steuerung und Kontrolle von Produktionsprozessen eingesetzt. Liegt eine Bestellung für ein Auftrag vor, wird sein Herstellungsprozess mit Hilfe einer MES-Software geplant, gesteuert und bis zur Fertigstellung überwacht.

PLM: Bedeutet Product-Lifecycle-Management. Bringt alle Produktinformationen über den Lebenszyklus in einem System zusammen. CAD-Daten, Konstruktionsrevisionen, Materialdaten, Test- und Simulationsergebnisse.

CRM: Bedeutet Customer Relationship Management. Das CRM versucht alle Marketing- und Kundenaktivitäten wie die Kommunikation (Emails, Telefonate, Meetings), Angebote, Ansprechpersonen und Zuständigkeiten bei Accounts sowie die Leadgenerierung und Marketing-Kampagnen zu verwalten.

CPQ: Bedeutet Configure, Price, Quote. Mit dieser Software versucht man Produktkonfigurationen (Baukästen), Preiskalkulationen und die Angebotserstellung zu digitalisieren und zu standardisieren. Besonders im Vertriebsprozess von variantenreichen Produkten und Lösungen ist der Einsatz einer CPQ-Software von großem Vorteil und sorgt für bspw. standardisierte Rabattgrenzen oder Freigabe-Workflows.

Es gibt noch eine Menge weiterer klassischer Softwarelösungen/Module wie z.B.

  • MRP ‚Material Requirement Planning‘ für den Bereich Produktion
  • TMS ‚Transportmanagementsystem‘ für den Bereich Logistik
  • SCADA ‚Supervisory Control and Data Acquisition‘ wertet Daten aus der Betriebs- und Maschinendatenerfassung (BDE & MDE) in der Produktion aus

oder auch neuartige, ergänzende Softwarelösungen wie z.B.

  • Digitale Checklisten für Inbetriebnahmen, Präventive Instandhaltung, Qualitätsprüfung
  • Individuelle Software für Shopfloor Dashboards
  • Software für Projektmanagement wie Jira, Asana etc.
  • Digitale Anleitungen mit Videos und Erklärungen an Montageplätzen
  • Web-basierte Kunden- und Anfrageportale
  • Webshops für Produkte / Ersatz- und Wartungsteile
  • Ticketlösungen für den technischen Service oder die Hotline

Die bisherige starre Abgrenzung und theoretische Herangehensweise mag für Konzerne und Produktionsunternehmen mit hochautomatisierten Produktionslinien mit hohen Stückzahlen sinnvoll sein. Doch der Trend geht zunehmend in Richtung individueller Produkte („Losgröße 1“) und geringerer Stückzahlen bei niedrigen Kosten und kurzen Lieferzeiten.

KMUs, die sich durch flexible Auftragsfertigung mit hohen Varianzen und kleinen Stückzahlen auszeichnen, sind davon besonders betroffen. Sie streben mehr Agilität in ihren Prozessen an, um schnell und effektiv auf Kundenwünsche zu reagieren.

Schlanke Digitalisierung bei KMUs – wichtiges Thema, viele Fragen.

Inwieweit kann die klassische Softwarepyramide bei dieser Umstellung helfen? Was tun, wenn man bisher mit schlanker Buchhaltungssoftware und einer Magnettafel als Lohnfertiger flexibler, kostengünstiger und schneller war als mit einer komplexen MES-Software?

Wie rechtfertigt man als Geschäftsführer, Produktions- oder Vertriebsleiter Investitionen im mittleren sechsstelligen Bereich für ERP-, MES-, CRM-Softwaremodule oder IoT-Anbindungen bei einem KMU? Wo sollte man anfangen – im Engineering, Projektmanagement, in der Produktion, Buchhaltung oder im Vertrieb?

Oder ist es sinnvoller, zunächst den gesamten Auftragsabwicklungsprozess zu analysieren, bevor man einzelne Software-Bausteine aus der klassischen Softwarepyramide überhaupt erst betrachtet?

Die neuen Kundenanforderungen, agile Märkte, das Überangebot an Softwarelösungen und der Mangel an pragmatischen Digitalisierungsfachleuten stellen viele KMUs vor große Herausforderungen in Bezug auf Digitalisierung und zukünftige IT-Architekturen.

In den kommenden Beiträgen werde ich praktische Ansätze und Ideen vorstellen, um diese Herausforderungen zu meistern.   

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